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  Datenstreik
  DATENSTREIK
Konzept & Aktion, regelmässiger freiwilliger Verzicht aufs Surfen und die Produktion von Daten
Matthias Fritsch, 2020
  Daten sind die Grundlage für Informationen, das neue Öl. Mein Verhältnis zu Daten ist in vielerlei Hinsicht gespalten. Ich produzieren ständig Daten. Mit jedem Schritt, den ich im Internet mache, werden neue Daten erhoben. Oft habe ich gar keine Wahl, mich der Sammlung meiner Daten zu entziehen. Häufig werden diese Daten von Dritten für Überwachung und kommerzielle Zwecke verwendet. Alle gewollten und ungewollten Daten werden verarbeitet und gespeichert. Das kostet sehr viel Energie und Ressourcen.

Um mehr Bewusstsein für unser Verhältnis zu Daten zu schaffen wurde diese Aktion ins Leben gerufen mit einem Aufruf, es einmal auszuprobieren und regelmässig zu wiederholen.

Die Idee ist simpel: Wir entziehen uns regelmässig der Produktion von Überwachung, Übertragung und Vermarktung unserer Daten. Wir verzichten regelmässig für einen Zeitraum auf die Nutzung des Internets und damit vernetzten Geräte und setzen damit ein Zeichen, das wir einen besseren Umgang mit Daten wünschen.



Ein regelmässiges Zeitfenster für "digital detox" hilft Aktivitäten wiederzuentdecken, die bis vor kurzen noch völlig normal waren: Bücher lesen, einen Spaziergang ohne Navigator machen und dabei lernen, sich zu orientieren, ein persönliches Treffen mit Freunden und Familie statt eines virtuellen Chats und vieles mehr.


Mein persönlicher Datenstreik ist jeden Freitag von 19:00 bis Samstag 12:00


Von Freitag 19:00 bis Samstag 12:00 nicht zu surfen entspricht 10 % meiner Zeit und entspricht einer entsprechenden Reduktion des Datenverkehrs und damit verbundenen Energieverbrauch von mindestens 10 %.

Mach mit!
Sobald eine kritische Masse daran teilnimmt, wir der Effekt in den Datenzentren deutlich werden!
 
Hintergrundinformationen zum DATENSTREIK von Matthias Fritsch

Momentan verdoppelt sich fast alle zwei Jahre die Datenmenge aller Jahre davor. Während der Internetverkehr des Jahres 2011 noch ein Volumen von etwa 6 Milliarden Gigabytes hatte, waren es 2018 schon ca. 45. Mit weiterer Zunahme von Streamingdiensten, dem Internet der Dinge, selbstfahrenden Autos und virtueller Realität wird die Datenproduktion voraussichtlich nochmals exponentiell zunehmen. Auch wenn die Technologie immer energieeffizienter wird, steigt unsere Datenproduktion in einem stärkeren Maß an, so dass trotz Effizienzsteigerung der Energieverbrauch für Transport, Verarbeitung und Speicherung der Daten ständig steigt. Das Internet macht inzwischen 7% des weltweiten Energiebedarfes aus und liegt damit über dem weltweiten Flugverkehr. Bis 2025 wird damit gerechnet, dass die Emissionen der digitalen Technologien sogar den weltweiten Autoverkehr übersteigen könnten.

Laut Prof. Mél Hogan aus Kanada verbraucht eine Anfrage bei Google momentan in etwa soviel Energie, wie benötigt wird, um ein Ei zu kochen. So eine Google-Suchanfrage aktiviert im Schnitt 10 bis 20 Tausend Server, die ihrerseits 40 Millionen solcher Anfragen pro Sekunde bearbeiten. Die Daten liegen in Serverfarmen, die häufig mit Wasser gekühlt werden, das für diesen Zweck gefiltert, sterilisiert & gechlort wird. Nach einem Zyklus im Kühlkreislauf gehen 70% des Kühlwassers zurück in den Fluss und nur 30% werden wiederverwendet. Auch nicht unbedeutend sind die Energie und Ressourcen, die für Herstellung, Transport und Aufbau dieser Infrastrukturen nötig sind, denn Datenzentren und Netzwerke wachsen nicht von selber aus dem Boden.

Der persönliche Wechsel zu einem Ökostrom-Energieversorger kann zu Hause fossile Emissionen vermeiden. Doch in der Regel entzieht sich völlig der Kontrolle des Endnutzers, was für Energiequellen für den Datentransport und den Betrieb der Serverfarmen verwendet werden. Sie und er kann nur hoffen, nicht unwissentlich die „dreckigsten“ Dienste in Anspruch zu nehmen. Einige Unternehmen veröffentlichen inzwischen regelmässig ihre Energiebilanzen. So beziehen inzwischen die digitalen Riesen wie Google und Facebook ihre Energie zu 70% aus erneuerbaren Quellen, aber das lässt immer noch 30% fossilen Verbrauch übrig und bei der immensen Nutzung ihrer Dienste und der Zunahme der Datenmengen frage ich mich, ob deren Gesamtverbrauch an fossiler Energie in den letzten Jahren nicht vielleicht sogar noch zugenommen hat, auch wenn die meisten Kapazitätszuwächse ökofreundlicher dazu gebaut werden. Wichtig ist, dass wir uns beim Energiesparen der Gefahr von sogenannten Rebound-Effekten bewusst sind. Diese gehen oft aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen hervor, die dann dazu verleiten, die Gesamtmenge zu steigern, zum Beispiel an bei der Anzahl der Rechenaufgaben von Software. Ein leistungsstärkerer Computer spart nur dann Energie, wenn er nicht wesentlich mehr Aufgaben erledigen muss als sein leistungsschwächerer Vorgänger. Schon immer werden parallel mit der Leistungssteigerung bei Prozessoren und Speichersystemen auch die Betriebssysteme und Anwendungen immer datenhungriger, so dass mittelalte Computer heute noch genauso anfangen zu stocken wie ihre die Rechnervorfahren vor 20 Jahren. Wenn wir lernen Effizienzsteigerungen der Rechner mit der Reduktion an Rechenaufgaben zu verbinden, die direkt mit unseren Gebrauch zu tun haben, dann sinkt der Energieverbrauch signifikant.

Ca. zwei Drittel des Datenverkehr über das Internet ist momentan Videostreaming. Als Youtube mit dem Streaming begann, da war die Bildqualität mit 480 Zeilen noch schlechter als die einer Videokassette. Heute werden 4k oder sogar 8k als Auflösungen der Videostreams angeboten. Je höher die Bildauflösung, desto höher sind die Datenraten. Ich kann also zum Beispiel den selben Inhalt streamen, aber wesentlich weniger Energie verbrauchen, indem ich die Auflösung in den Bildqualitätseinstellungen der jeweiligen Anbieter vom maximalen auf das gerade noch angenehme reduziere. Persönlich komme ich mit Videoauflösungen von 360 Zeilen oft schon gut aus. Das ist nur ein Neuntel der Bildgrösse im Vergleich zu FullHD und 1/32 der Pixelanzahl von 4K. Wenn ich nicht allein einen gestreamten Film schaue, sondern in der Gruppe, dann reduziere ich den Pro-Kopf-Verbrauch nochmals, teile die Ressourcen und erhöhe ausserdem meine sozialen Aktivitäten.

Ein weiterer in meinen Augen problematischer Aspekt unserer vernetzten Welt ist die zunehmende Überwachung, denn jeder meiner Schritte im Internet wird protokolliert und an unterschiedlichen Stellen gespeichert. Mein Internetanbieter ist zum Beispiel verpflichtet, meinen gesamten Internetverkehr für einen bestimmten Zeitraum zu speichern, falls es rechtliche Verstösse gibt. Auch meine Schritte in der realen Welt werden verstärkt in Daten umgewandelt. Öffentliche und private Räume, Grenzen, Bahnhöfe, Supermärkte und Shopping-Malls und viele andere Orte sind häufig mit Kameras und anderen Sensoren ausgestattet. Mal wird gefilmt und gespeichert, mal das Mobiltelefon in der Hosentasche registriert und protokolliert. Staaten sind interessiert, verdächtige Aktivitäten zu erkennen, mögliche Terrorgefahren, Krankheitsausbrüche und wer weiss was noch zeitnah zu erkennen um effektiver und besser vorbereitet darauf zu reagieren. Eine Vielzahl von kommerziellen Firmen ist daran interessiert, Profile der Menschen zu erstellen und zu schärfen, um diese für gezielte Werbemassnahmen an zahlende Kunden zu verkaufen. Daten sind das neue Öl. Es gibt Methoden, sich der Sammlung zu entziehen oder die eigenen Informationen zu verschleiern. Doch das setzt ein Verstehen der Mechanismen voraus, das viele Menschen nicht haben. Eine sehr einfache Strategie, sich diesen Mechanismen zu entziehen ist, einfach nicht mitzumachen und zum Beispiel nicht soviel zu surfen. Der drastischste und effektivste Weg wäre, komplett darauf zu verzichten.

Ich wähle für mich einen Mittelweg und verzichte regelmässig auf die Nutzung des Netzes: Neben dem grundsätzlichen Verzicht auf Onlineverbindungen mit meinem Mobiltelefon nehme ich mir persönlich jeden Freitag Abend von 19 Uhr bis Samstag Mittag 12 Uhr für 16 Stunden eine Auszeit vom Internet und gehe jede Woche in diesem Zeitraum in den Datenstreik. Das sind 10% meiner Woche und oft nicht einfach, das durchzuhalten, aber meine Erfahrung zeigt: Es geht! Ich hoffe das kann ein Zeichen in meinem persönlichen Umfeld setzen und zeigen, dass es auch mal ohne Netz geht. Einfach mal selber ausprobieren!

Weitere Werkzeuge für einen nachhaltigeren Alltag stelle ich auf meiner Webseite subrealic.net vor im Rahmen des Projektes „Meine 13 Gebote


 

 
 

 
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